Grundlagen

Embryonale Differenzierung der inneren Genitale

Der Chromosomensatz bestimmt das Geschlecht des Menschen und wird bei der Befruchtung festgelegt. Dabei bedeutet normalerweise der Chromosomensatz XX weiblich, XY männlich.

In der embryonalen Entwicklung folgt nun ein indifferentes (neutrales) Stadium, in dem der Embryo sowohl männliche Vorstufen des Genitales (Wolffsche Gänge) als auch weibliche Vorstufen (Müllersche Gänge) vorhanden sind. Erst zwischen der 4. und 8. Embryonalwoche kommt es schließlich zur Ausbildung der spezifischen Geschlechtsorgane.

Männliche Entwicklung

Durch Testosteronbildung:

  • Erhaltung der Wolffschen Gänge, die sich zum Samenleiter ausbilden
  • Einleiten der Differenzierung der männlichen Organe

Durch AMH-Bildung (Anti-Müller-Hormon):

  • Rückbildung der Müllerschen Gänge

 

Weibliche Entwicklung

  • Durch das Fehlen von Testosteron bilden sich hier die Wollfschen Gänge zurück
  • Die Müllerschen Gänge verschmelzen zu Gebärmutter, oberen 2/3 der Scheide und Eileitern

Dabei entsteht die Gebärmutter aus dem mittleren verschmolzenen Teil der Müllerschen Gänge und ist zunächst noch durch ein Septum (Scheidewand) getrennt, das aber im vierten Schwangerschaftsmonat resorbiert (aufgelöst) wird.

Aus dem unteren Teil der Müllerschen Gänge entsteht der Großteil der Scheide.

Störungen bei der Differenzierung der inneren Genitale

1. Gebärmutterfehlbildungen bei vorhandener Scheide
Wie oben bereits genannt, bildet sich die Gebärmutter durch eine Verschmelzung der mittleren Müllerschen Gänge. Gelingt diese Verschmelzung nicht oder nur teilweise kann sich eine ganz oder teilweise doppelt angelegte Gebärmutter ausbilden, ggf. zusätzlich auch eine doppelt angelegte Scheide (Uterus et vagina duplex).
Entwickelt sich nur einer der Müllergänge normal weiter, besteht die Gebärmutter später aus nur einem sogenannten Horn (Uterus unicornis).
Bleibt die Resorption der Trennwand innerhalb der Gebärmutter aus, bleibt eine vollständig oder teilweise geteilte Gebärmutter bestehen (Uterus subseptus oder septus).
Letztendlich sind sämtliche Zwischenformen möglich, je nachdem, wann die normale Entwicklung unterbrochen wird.
Die genaue Ursache dieser Fehldifferenzierung ist noch unbekannt.

2. Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
Bei diesem Syndrom bleibt das Hinabwandern und die Verschmelzung der Müllerschen Gänge im zweiten Schwangerschaftsmonat aus, wobei die eigentliche Ursache auch hier unbekannt ist. Die betroffenen Patientinnen leiden dann unter einem Fehlen der Scheide und Gebärmutter (Vaginal- & Unterusaplasie).

Der häufig vorkommende Zusammenhang mit Nieren- und Skelettanomalien lässt sich auf Grund des gemeinsamen Ursprungs der drei Strukturen aus einem Keimblatt, nämlich dem Mesoderm erklären.
Die Keimblätter teilen sich auf in ein äußeres, das Ektoderm, ein Inneres, das Entoderm, und ein Mittleres, das Mesoderm.
Aus dem Ektoderm entwickeln sich Oberflächenstrukturen und Sinnesorgane sowie das zentrale Nervensystem und Kopfstrukturen.
Aus dem Entoderm entwickeln sich die Epithelien des Magen-Darm-Trakts und des Respirationstrakts sowie das Parenchym verschiedener anderer Strukturen.
Aus dem Mesoderm entwickeln sich Skelett und Muskeln, Nieren und Keimdrüsen mit Ausführungsgängen sowie glatte Muskulatur, Herz, Gefäße u.v.m.
So lässt sich der oben genannte Zusammenhang durch die überlappung der Differenzierung des Skelett- und Nierensystems mit der Entwicklung des Urogenitalsystems (aus Wolffschen und Müllerschen Gängen) erklären .

Literatur:

Moore KL (1990): Embryologie: Lehrbuch und Atlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen; 3.Aufl. Schattauer, Stuttgart
Drews U (1976): Die Entwicklung der Sexualorgane: Von der genetischen Information zur morphologischen Differenzierung; Gynäkologe 9: 3-15

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